Zu den Hollywood Hills Transsilvaniens: Von Schäßburg nach Brașov
Reist man von Sighișoara Richtung Nordosten, kommt man am UNESCO-Dorf Keisd (Saschiz) vorbei, passiert kleine Orte, deren Wehrkirchen restauriert wurden und erreicht nach 120 km Kronstadt, das mit einer viertel Million Einwohnern fast zehnmal so groß ist wie das pittoreske Städtchen Schäßburg. Ein dem berühmten Hollywood Sign nachempfundener Schriftzug am Berg Tâmpa macht dem Besucher unmissverständlich klar, wo er sich befindet: in Brașov, wie Kronstadt auf Rumänisch heißt. So ist der Berg auch nicht Teil der Hollywood Hills, sondern der Karpaten, die die Stadt im Süden und Osten umgeben.
Da wir noch immer in Transsilvanien – und nun auch in den Karpaten – unterwegs sind, begegnen wir einmal mehr dem Grafen Dracula alias Vlad III. Drăculea, genauer einer weiteren touristischen Vermarktung eines angeblichen Aufenthaltsortes des berüchtigten Fürsten. Dieser hat Schloss Bran nahe Brașov vermutlich nie betreten, dennoch wird es so gerne wie hartnäckig als „Draculaschloss” gehandelt.
Zurück in Kronstadt findet man mit der „Schwarzen Kirche” (rumänisch: Biserica Neagră) im Zentrum der Altstadt das Wahrzeichen Brașovs und den bedeutendsten gotischen Kirchenbau Südosteuropas. Die Kirche, die übrigens auch eine „Schwarze Madonna” beherbergt, ist das größte Bauwerk, das von Siebenbürger Sachsen zu mittelalterlichen Zeiten in Transsilvanien geschaffen wurde. Kronstadt wiederum wurde von sogenannten Ritterbrüdern des Deutschen Ordens im frühen 13. Jahrhundert unter dem Namen Corona gegründet. Die südöstlichste der deutschen Städte Siebenbürgens war neben Hermannstadt (rumänisch: Sibiu) jahrhundertelang kulturelles und wirtschaftliches Zentrum der Siebenbürger Sachsen. Nach wechselvollen territorialen Zugehörigkeiten – zum Königreich Ungarn, dem Fürstentum Siebenbürgen, zu Österreich-Ungarn – gehört die Stadt seit 1920 schließlich zu Rumänien. Von 1951 bis 1961 wurde Brașov kurzerhand in Stalinstadt (rumänisch: Orașul Stalin) umbenannt, um dem Kult um den Namensgeber angemessen Ausdruck zu verleihen. Bemerkenswert ist, dass Kronstadt bereits zwei Jahre vor der Revolution 1989 zu den ersten Städten Rumäniens gehörte, in denen sich Arbeiter am Aufstand von Brașov gegen Ceaușescu beteiligten. Nicht wenige der Teilnehmer dieses Aufstandes wurden nach ihrer Verhaftung nie wieder gesehen.
Spaziert man durch die Randgebiete der Stadt, sollte man sich nicht wundern, dort auf Pelzträger zu treffen, die sich nach Essbarem umsehen. In den Wäldern um Brașov leben noch etliche Braune Karpatenbären in freier Natur, von denen einige die Scheu vor menschlichen Ansiedlungen verloren haben. Nirgends sonst in Europa sind heute so viele Raubtiere unterwegs wie in den rumänischen Karpaten.
Zu den berühmten Söhnen der Stadt gehört der Fotograf Brassaï, der dort eigentlich als Gyula Halász geboren wurde, das Pseudonym „der aus Brassó Stammende“jedoch eleganter fand. Genau 50 Jahre später wurde am selben Ort Peter Alexander Makkay geboren. Auch er verlieh sich einen neuen Namen: Hierzulande kennt man ihn als den Musiker Peter Maffay.