Stadt in der Tiefe: Bukarests Geschichte
Rumäniens Hauptstadt Bukarest liegt in der Walachei, genauer in der Mitte der Walachischen Tiefebene (rumänisch: Câmpia Română oder Câmpia Dunării). Die Umgebung gilt als weniger attraktiv, mit Walachei bezeichnet man hierzulande umgangssprachlich eine weit entfernte, verlassene Gegend (Blogbeitrag Mai 2020, Tschick und Maik lassen grüßen!). Wie ein geografischer Anachronismus befindet sich die pulsierende Kapitale genau hier.
Vlad III. Drăculea war bereits einige Male Gast in diesem Blog, in Târgoviște (deutsch: Tergowiste oder Tergowisch), der damaligen Hauptstadt des Fürstentums Walachei (rumänisch: principatul Țării Românești), wurde er 1456 inthronisiert. Bukarest entwickelte sich ab diesem Zeitpunkt von einer Handwerkersiedlung mit Schmiede, Töpferei und Gerberei zum Curtea (Fürstensitz) der Walachei. Ein wesentlicher Aspekt in dieser Entwicklung war die Lage des Ortes inmitten eines Verdichtungsraums zahlreicher weiterer Siedlungen. Rumänien, zu dieser Zeit weder Fürstentum noch souveräner Staat, befand sich unter osmanischer Oberhoheit. Diese Suzeränität bedeutete zwar eine klare Unterordnung der Walachei, das noch immer dörflich geprägte Bukarest profitierte jedoch von der Anwesenheit des osmanischen Hofes und durch die Rückkehr der ausländischen Händler: Beides bewirkte wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung. Steigende Bevölkerungszahlen und eine Vielzahl neuer Bauten führten zu einer Entwicklung weg vom Dorf zu einer städtischen Struktur. 1545 ließ Fürst Mircea al V-lea Ciobanul die erste Stadtmauer in Form eines Palisadenwalls errichten. Auch die landwirtschaftlich genutzte Umgebung wurde, mittels Grenzsteinen markiert, zum Land der Stadtbürger (rumänisch: moșia orășenilor) erklärt. Das fürstliche Macht- und Handelszentrum București wechselte sich in der Funktion als Hauptstadt noch eine Zeit lang mit Târgoviște ab: Je nach aktueller politischer Lage verlagerten die diensthabenden Fürsten ihre Residenzen zwischen den beiden Städten hin und her. 1659 kam es wieder einmal zur Verlagerung nach Bukarest, diesmal endgültig. Von diesem Jahr an blieb București Hauptstadt der Walachei. 1668 folgte auch die religiöse Führung der Orthodoxie dem Fürsten. Die städtische Bevölkerung war mittlerweile auf rund 60.000 Einwohner angewachsen, welche in 21 Stadtvierteln lebten. Eine städtische Infrastruktur bildete sich heraus, erste Krankenhäuser, Druckereien und Lehranstalten wurden eingerichtet, nicht ohne den obligatorischen Kirchenbau zu vernachlässigen. Schwierig wurde es in der Phanariotenzeit (1716–1821). Unter den Phanarioten, einem kleinen Kreis wohlhabender und politisch einflussreicher osmanischer Adelsfamilien, kam es zu immens hohen Abgabelasten für die Bevölkerung, Ausbeutung, Korruption und Misswirtschaft. Es gab jedoch eine Ausnahme: Die Fürstenfamilie Ypsilantis. Fürst Alexander Ypsilantis ließ die Stadt verschönern und 1779 die erste Wasserleitung bauen. Da der Fluss Dâmbovița (Bukarest wird nicht von der Donau durchflossen) die Stadt häufig überschwemmte, veranlasste er den Bau eines Umleitungskanals und leitete eine erste industrielle Entwicklung in die Wege. Ab 1764 wurden Manufakturen für Wachs, für Kleider und für Papier in Betrieb genommen. Mit Ausbruch des Russisch-Österreichischen Türkenkriegs 1787 wurde der positive Schwung temporär unterbrochen. Es kam zur Flucht des aktuellen Fürsten und zur Einnahme durch Österreich, welches die Stadt erst 1791 wieder herausgab.