Sieben Burgen jenseits der Wälder: Unterwegs in Transsilvanien
Per Schnellzug sind wir bislang durch Geschichte und Regionen Rumäniens gereist, ein erster Überblick ist gewonnen. In diesem Jahr möchte ich mich mit Ihnen genauer umsehen – und an Orten verweilen. Geboren und aufgewachsen in Cluj-Napoca (deutsch: Klausenburg) – also als Bürgerin Siebenbürgens, ergo Transsilvaniens – liegt es nahe, das entschleunigte Reisen dort zu beginnen, wo ich Deutsch als zweite Muttersprache erlernte: mitten drin, hinter den Karpaten und jenseits der Wälder.
Im Zentrum Rumäniens gelegen ist Transsilvanien von (fast) allen anderen Regionen des Staates und den dicht bewaldeten Karpaten umschlossen, was der Gegend ihren Namen trans silvana, also jenseits der Wälder, verlieh. Seinen deutschen Namen verdankt Siebenbürgen vermutlich den von deutschen Siedlern gegründeten sieben Städten Kronstadt (Brașov), Schäßburg (Sighișoara), Mediasch (Mediaș), Hermannstadt (Sibiu), Mühlbach (Sebeș), Bistritz (Bistrița) und Klausenburg (Cluj-Napoca) – und deren Burgen. Die Siebenbürger Sachsen wiederum heißen nicht so, weil sie etwas mit dem deutschen Freistaat Sachsen zu tun hätten, sondern der Name stammt wohl vom Stereotyp Saxones für westliche Siedler. Doch auch dies ist nur eine Vermutung. Sicher ist, dass die deutschen Kolonisten im 12. Jahrhundert nach Transsilvanien kamen und dort die genannten Städte und viele Dörfer gründeten, die ersten davon in der Hermannstädter Gegend. Aus Hermannstadt (Sibiu), kommt auch der seit Dezember regierende rumänische Ministerpräsident Klaus Johannis, dessen siebenbürgisch-sächsische Vorfahren sich vor etwa 850 Jahren in Transsilvanien niederließen. Blickt man zurück ins Mittelalter, genossen die deutschen Bauern, Handwerker und Händler zahlreiche Privilegien und waren so gut wie unabhängig vom Königreich Ungarn, das Siebenbürgen damals regierte. Den Rumänen wurden jedoch keinerlei Rechte zugestanden. Sie wurden ausgegrenzt und durften sich nicht in den deutschen Städten niederlassen. Nach einem turbulenten 17. Jahrhundert, an dessen Ende die Zugehörigkeit zu Österreich stand, währte die weitgehende Unabhängigkeit dennoch bis ins 19. Jahrhundert. Dann war es vorbei damit: Siebenbürgen wurde Bestandteil der ungarischen Reichshälfte der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. 1920 wurde Transsilvanien von Rumänien übernommen, die Mehrheitsverhältnisse kehrten sich, bis auf wenige Ausnahmen, in den überwiegend ungarisch oder deutsch bevölkerten Regionen zugunsten ethnischer Rumänen um. Jahrhundertelang hatten erstere die rumänische Bevölkerung auf allen Ebenen dominiert – politisch, wirtschaftlich und kulturell. Nun waren sie gezwungen, ihre historische Vormachtstellung aufzugeben und mit einer Umkehrung der Machtverhältnisse konfrontiert.
Die wechselvollen territorialen Zugehörigkeiten Transsilvaniens im Verlauf seiner Geschichte und die damit einhergehende Vielfalt an dort lebenden Volksgruppen machten und machen die Region zu einer ganz besonderen: zu einem Schmelztiegel verschiedenster kultureller und politischer Einflüsse, die sie geprägt haben und der Bevölkerung viel abverlangt, aber - trotz oder gerade wegen dieser Ambivalenzen - auch innovatives Potenzial beschert haben.