Jenica Schneider | Cranachstraße 16 | 90408 Nürnberg | Sie erreichen mich unter: +49 (0)911-247 66 30 (09 bis 17 Uhr)

Rumänien-Blog


Rammstein und Hollywood: Besuch in Baia Mare

Mit annähernd 125.000 Einwohnern ist Baia Mare (deutsch: Frauenbach oder Groß-Neustadt) die größte Stadt in der Maramuresch (rumänisch: Maramureș) und beherbergt als ihre Hauptstadt etwa ein Viertel der Bewohner des gesamten Kreises. Frauenbach pflegt – neben acht anderen – eine Städtepartnerschaft mit Hollywood und wurde bereits von der deutschen Band Rammstein besungen.

Erstmals urkundlich erwähnt wurde Frauenbach (lateinisch: Rivulus Dominarum) 1142, als der ungarische König Géza II. dort Deutsche ansiedeln ließ. In seine Regierungszeit fällt damit die erste größere Ansiedlungswelle von etwa zwei- bis dreitausend Einwanderern aus dem Rhein- und Moselgebiet sowie aus Wallonien. Heute ist der Anteil der ungarischen Minderheit in Baia Mare vergleichsweise hoch, in früheren Zeiten gehörte die Stadt zur Region Sathmar.

Frauenbachs Partnerstadt Hollywood ist nicht jene, die als Stadtteil von Los Angeles und Filmstadt berühmt wurde, sondern liegt etwa 15 km nördlich von Miami in Florida und wird als Diamond of the Gold Coast bezeichnet. Von der Goldküste weit entfernt kam es in Baia Mare im Januar 2000 durch den Dammbruch des Abwasserbeckens einer Goldmine zu einer der größten Umweltkatastrophen nach Tschernobyl. Mittels Zyanidlaugung, einer billigen, aber stark umstrittenen Methode zur großindustriellen Goldgewinnung, werden goldhaltiges Gestein und Erde fein gemahlen und mit Natriumzyanid versetzt. Aus der Sickerlauge kann Feingold extrahiert werden. Übrig bleiben große Mengen zyanidhaltige Lauge und schwermetallhaltiger Schlamm, welche selbstredend hochgiftig sind und in Auffangbecken aufgestaut werden, sofern diese nicht brechen. Doch genau das passierte am 30.01.2000 gegen 23 Uhr in Baia Mare: Geschätzte 300.000 Tonnen Abwasser mit 100 Tonnen Zyanid traten aus, über 1400 Tonnen tote Fische waren die Folge, was wiederum nicht nur ein Desaster für die einheimischen Fischer war, sondern den Fluss Theiß (rumänisch: Tisa) weit bis nach Ungarn hinein verseuchte. Wenig später kam ein weiterer Dammbruch in einem Bergwerk etwa 100 km östlich von Frauenbach dazu. Erneut floss mit Schwermetall versetzter Klärschlamm in die ohnehin verseuchte Theiß. Gebaut und betrieben wurde die Goldmine von einem Unternehmen namens Aurul, das im gemeinsamen Besitz der ehemaligen australischen Firma Esmeralda Exploration und der rumänischen Regierung war. Da der australische Part Konkurs anmeldete und eine neue Tochterfirma gründete, hatten Schadensersatzklagen juristisch keinerlei Erfolg. Auf das ehemalige Unternehmen konnte nicht zurückgegriffen werden, obwohl es unter neuem Namen weitermachte. Lediglich Ungarn verbot die Zyanidlaugung, in Rumänien machte man weiter, die EU entschied gegen ein europaweites Verbot. Heute besitzt Romaltyn, eine Tochterfirma der kasachischen SAT & Company JSC, die Mine. Die Sicherheitsvorkehrungen wurden zwar verschärft, das so lukrative wie gefährliche Verfahren wird jedoch weiter angewandt. 2006 wurde Baia Mare in einer Studie des Blacksmith-Instituts über die am stärksten verseuchten Städte der Welt erwähnt. 2009 veröffentlichte die Band Rammstein auf ihrem Album „Liebe ist für alle da“ als Bonustitel ein Lied, welches sich auf das Unglück bezieht. „Donaukinder“ ist sein Titel.

Zurück