Nicht auf Sand gebaut: Der Palast des Parlaments
Monumental, kolossal, gigantisch. Die Liste der Superlative zur Beschreibung des Parlamentspalasts (rumänisch: Palatul Parlamentului), könnte lange fortgeführt werden. Doch die architektonische Manifestation der Machtfantasien Nicolae Ceauşescus überholt diese Beschreibungen noch, indem sie den bis dato bekannten Rahmen gebauter Vorbilder bis zur Maßlosigkeit sprengte. Heute ist der Palast Sitz der Rumänischen Abgeordnetenkammer.
Mehr als unübersehbar thront der Palast des Parlaments im Zentrum der Hauptstadt Bukarest, am Ende des Bulevardul Unirii. Seinen Boulevard der Einheit ließ Diktator Ceauşescu in den 1980er Jahren unter dem Namen Boulevard des Sieges des Sozialismus anlegen. Hauptzweck der Straße, die breiter als die Pariser Champs-Élysées werden sollte, war ihre Ausrichtung auf den Parlamentspalast, der ab 1983 als Casa Poporului (deutsch: Haus des Volkes) erbaut wurde. Vom Volk selbst wurde es als Haus des Sieges über das Volk bezeichnet. Sowohl der Palast als auch der Boulevard als Schneise zum Manifest der Macht waren auf Zerstörung gebaut. Schon Ende der 1970er Jahre begann der Abriss historischer Gebäude im Stadtkern (Blogbeitrag November 2021). Zwar waren infolge des Erdbebens von 1977 etliche Bauten eingestürzt, viele hatten jedoch standgehalten, darunter zahlreiche Villen des einstigen Bürgertums im Uranus-Viertel. Ceauşescu räumte nicht nur Häuser aus dem Weg. Enteignungen und Zwangsevakuierungen im großen Stil begleiteten seine radikalen Umbaupläne. Auch Gott als Bewohner stand ihm im Weg. Nachdem er 20 Kirchen, drei Klöster und drei Synagogen abreißen ließ, formierte sich massiver Protest von Bukarester Priestern und Intellektuellen, unterstützt aus dem Ausland und von der UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization). Um die lästigen Gotteshäuser dennoch loszuwerden, beschloss er deren Umsiedlung: Auf Schienen rollend, wie zeitgenössische Fotografien zeigen. Sieben Kirchen wurden versetzt, indem deren Fundamente freigelegt, die Kirchenböden entfernt und durch betongefüllte Stahlkonstruktionen ersetzt wurden. So präpariert wurden die Bauwerke angehoben, gedreht und auf Schienen gesetzt, um mittels Winden zum neuen Aufstellort gezogen zu werden. Entwickelt hat diese Operationen der Bauingenieur Eugeniu Iordachescu (1929-2019), der noch heute als Kirchenretter verehrt wird. Ich habe mit den Kirchen Walzer getanzt, lautete dessen vielzitierte Beschreibung seiner Verschiebungsmethode des Drehens, Versetzens, wieder Drehens. Sieben Kirchen versetzte Iordachescu im Walzertanz, weitere 22 Gebäude kamen hinzu, das schwerste ein Kloster von 9000 Tonnen. Zu sehen sind die Kirchen an ihren untergeschobenen Standorten in den Hinterhöfen der Stadt in einer Fotoserie des Künstlers und Fotografen Anton Roland Laub, die 2017 im Bildband Mobile Churches veröffentlicht wurden. Laub, der heute in Berlin lebt, ist in Bukarest geboren und reist mit seinen Arbeiten immer wieder in seine Vergangenheit. Als Schüler erlebte er Ceauşescus Maßnahmen zur Systematisierung von Stadtplanung und Architektur, seine Familie war direkt davon betroffen: Das Haus des Großvaters wurde nach dessen Enteignung abgerissen. Das Haus des Volkes ist zwar nicht auf Sand gebaut, aber auf einer Schneise brachialer Zerstörung. Die Rumänische Kommunistische Partei (rumänisch: Partidul Comunist Român) feierte es als unsere Akropolis.