Multiethnische Realitäten: Reise zum Rand Klausenburgs
Mit Klausenburg (rumänisch: Cluj-Napoca) bereisen wir die zweitgrößte Stadt Rumäniens – und die letzte der sieben Namensgeberinnen Siebenbürgens. Ein historischer Kern, Plattenbausiedlungen aus kommunistischer Zeit, industriell geprägte Viertel sowie ältere Einfamilienhaus-Siedlungen und jüngere Wohnparks: Cluj, wie es von der Bevölkerung trotz des1974 verordneten Zusatzes Napoca genannt wird, ist nicht nur architektonisch ein vielschichtiges Konglomerat. Wir sehen uns um in Geschichte und Gegenwart der Hauptstadt des gleichnamigen Kreises.
Im Westen Siebenbürgens wurde Klausenburg im 13. Jahrhundert von deutschen Siedlern erbaut. Prähistorischer Vorgänger der Stadt war die Dakersiedlung Napoca, die sich nach der Eroberung durch die Römer dank ihrer verkehrsgünstigen Lage rasch zu einem kleinen Zentrum von lokaler Relevanz entwickelte. Unter Kaiser Hadrian erhielt Napoca die Rechte eines Municipiums, und dies bereits im 2. Jahrhundert. Wenig erfolgreich war hingegen im 20. Jahrhundert Diktator Ceaușescus Versuch, die dako-romanische Kontinuitätstheorie sichtbar zu machen, indem er Cluj den ZusatzNapocaverpasste. Dies wurde von den Bewohnern schlichtweg ignoriert. Seit seiner Gründung im 13. Jahrhundert blieb Klausenburg zweitgrößte Stadt des Königreichs Ungarn. Ab dem späten 18. Jahrhundert folgten wechselvolle territoriale Identitäten: Von der Hauptstadt des Großfürstentums Siebenbürgen innerhalb der Habsburgermonarchie wurde Cluj zum integralen Bestandteil Ungarns, um nach der temporären Angliederung an Rumänien wieder Ungarn zugesprochen zu werden. Nach zwei Jahren unter deutscher Verwaltung zum Ende des Zweiten Weltkriegs fiel die Stadt nach der Pariser Friedenskonferenz 1947 völkerrechtlich an Rumänien zurück. Dieses Wechselspiel an Zugehörigkeiten teilt Klausenburg mit anderen Städten Siebenbürgens, jedoch gibt es einen spezifischen Unterschied: Bereits im 17. Jahrhundert näherte sich der sächsische Bevölkerungsanteil der Stadt auf kultureller Ebene stark dem ungarischen an. Ein Grund hierfür war das Fehlen eines kompakt deutsch besiedelten Umlandes, welches stattdessen hauptsächlich von Ungarn und Rumänen bewohnt war. Zudem wandten sich die Klausenburger Sachsen der Reformationszeit dem religiösen Unitarismus zu, die übrigen Siebenbürger Sachsen taten das nicht. Traditionell ist Cluj seit Jahrhunderten eines der Zentren der siebenbürgisch-sächsischen Kultur und zugleich das kulturelle Zentrum der ungarischen Minderheit in Rumänien. Bis etwa 1974 stellten die Ungarn die relative Bevölkerungsmehrheit in Cluj, heute ist Klausenburg die Stadt mit der zahlenmäßig zweithöchsten magyarischen Minderheit in Rumänien.
Der Blick in die Geschichte erklärt die ausgeprägte ungarische Infrastruktur der Gegenwart Klausenburgs, welche aus Schulen und Universitäten mit ungarischer Unterrichtssprache, Vereinen, Kneipen, Kirchengemeinden und einer Vielzahl kultureller Institutionen besteht. In Cluj ist zudem die einzige dreisprachige Universität des südöstlichen Europa zu finden. In den drei Studienzweigen der Babeș-Bolyai-Universität wird auf Rumänisch, Ungarisch und Deutsch unterrichtet. Benanntwurde sie nach dem rumänischen Mediziner Babeș und dem ungarischen Mathematiker Bolya, die zuvor schon Namensgeber einer rumänischen sowie ungarischen Universität waren. 1959 fusionierte man die beiden Unis und vergab den Doppelnamen.