Landschaft am Meer: die Dobrudscha
Rumänien liegt dazwischen. Nicht im Norden, nicht wirklich im Süden, eher im Osten Europas. Ein Land, platziert in der geografischen Übergangszone zwischen Mittel-, Süd- und Osteuropa. Der Gebirgszug der Karpaten prägt die Landschaft stark, vor allem in der Vorstellung derer, die noch nie dort gewesen sind. Doch Rumänien liegt auch am Meer.
Die rumänische Staatsgrenze erstreckt sich etwa 3150 km entlang verschiedener Nachbarländer. Circa 1817 km davon gehen mit Flussverläufen konform, hauptsächlich mit der Donau, die Rumänien südwestlich von Serbien und südlich von Bulgarien abgrenzt. Der südliche Teil der historischen Region Dobrudscha liegt heute in Bulgarien (bulgarisch: Dobrudža), der größere nördliche in Rumänien (rumänisch: Dobrogea de Nord). Mit einer 225 km langen Küstenlinie grenzt die Dobrogea de Nord ans Schwarze Meer (rumänisch: Marea Neagră). Zwar ist die geografische Definition der Balkanhalbinsel nicht ganz eindeutig, die Dobrudscha zählt man jedoch als ihren nordöstlichsten Ausläufer dazu. Die Region ist der einzige Zugang Rumäniens zum Meer. Auf dem Wappen der Dobrogea sind zwei goldene Delphine zu sehn, auf blauem Grund stehen sie sich kopfüber gegenüber. Ein symbolisches Bild für die Landschaft am Meer, das sich im Wappen Rumäniens wiederfindet. Die Geschichte der Region geht eminent weit zurück. Ab 11.500 v. Chr. markierte der Übergang von Jäger- und Sammlerkulturen zu sesshaften Bauern den Beginn der Jungsteinzeit. Definiert wird diese Epoche der Menschheitsgeschichte über die Abwesenheit von Metallen und die Gegenwart von Keramik. Die älteste steinzeitliche Kultur der Gegend ist die Hamangia-Kultur mit ihrem spezifischen Keramikdekor und individualistischen Terrakottafiguren. Rückwirkend konnte diese in das 6. und 5. Jahrtausend v. Chr. datiert werden. In Cernavodă, einer Kleinstadt in der Dobrudscha, fand man etliche Terrakotten der Hamangia-Kultur, darunter auch eines der berühmtesten Kunstwerke der europäischen Frühgeschichte: eine weibliche und eine männliche Terrakottafigur aus poliertem Ton. Letztere taufte man aufgrund ihrer ähnlichen Körperhaltung zu Auguste Rodins gleichnamiger Skulptur „Der Denker“. Nachfolgerin der Hamangia- war die Gumelnitza-Kultur, eine kupferzeitliche Kultur zwischen 4600 und 4250 v. Chr. Die ersten Funde hierzu machte der rumänische Archäologe Vasile Pârvan im Jahr 1922. Einige Jahrtausende später, im 1. Jahrtausend v. Chr., belebten die Skythen die Dobrudscha, damals Klein Skythien genannt. Als Reitervolk pflegten sie eine entsprechende Lebensweise mit einem häufigen Wechsel der Weidegebiete. Bis 500 v. Chr. besiedelten und beherrschten die Perser die Region. Etwa 150 Jahre später entstanden in der heutigen Dobrogea erste griechischen Kolonien, befestigte Städte wurden erbaut. Zu den antiken Küstenstädten Rumäniens gehören das als Tomis gegründete Constanța, Mangalia als Nachfolgerin des damaligen Callatis sowie Histria. Nach Persern und Griechen übernahmen die Daker, welche wiederum mit den Thrakern verwandt waren, unter Burebista die Region. Als erster König des vereinigten Staates der Daker wurde dieser einige Jahrzehnte später zum Opfer einer Intrige dakischer Adliger – das dakische Reich zerfiel. Etwa 50 Jahre später war die vorchristliche Zeitrechnung zu Ende. 46 Jahre nach dem Beginn der neuen Rechnung eroberten die Römer das Gebiet und blieben eine ganze Weile.