IKEA und andere: in den letzten Urwäldern Europas
Filigrane Holzkirchen als Weltkulturerbe, kunterbunte Holzkreuze auf dem Friedhof, pittoresk gestaltete Gartentore: Man könnte den Eindruck gewinnen, in der Maramuresch sei die Welt des Holzes in Ordnung. Doch auch diese – noch immer sehr naturbelassene – Region bleibt nicht verschont von profitbetontem Raubbau an der Natur sowie von weiteren Begleitphänomenen des Kapitalismus. Das lukrative Geschäft mit dem Wald dezimiert den Baumbestand der letzten Urwälder Europas in Rumänien so zügig wie drastisch.
Jenseits der gemalt erscheinenden Idyllen, welche in der Maramureș noch zahlreich zu finden sind, halten auch dort zeitgemäße Umstände Einzug, die wenig romantisch anmuten. Es gibt sie nach wie vor, die Pferdegespanne und die traditionellen Holzhäuser, doch sind zunehmend Residenzen rumänischer Wanderarbeiter zu sehen, die ihr auswärtig verdientes Geld in disproportionierte Manifestationen finanziellen Potenzials namens Häuser investieren statt in nostalgische Statussymbole wie hölzerne Gartentore. Soziale Unterschiede verschärfen sich. In strukturschwachen Regionen, der Begriff wurde jüngst durch „Räume mit Stabilsierungsbedarf“ ersetzt, wird gerne auf Attribute wie Naturbelassenheit und Ursprünglichkeit von Natur und Mensch gesetzt, was den zivilisationsgefütterten Touristen entzückt, die Bewohner jedoch nicht hinreichend ernährt. Ein existenzieller Faktor in der Maramuresch, wie auch in anderen bewaldeten Gegenden Rumäniens, ist die Holzwirtschaft, mittlerweile begleitet von illegal operierenden Holzfäller-Clans. Bezüglich illegalen Holzeinschlags zu unterscheiden ist das unerlaubte Schlagen für den privaten Bedarf, Armut ist hier fast immer der Grund, von jenem im großen Stil.
Als eines der ärmsten Länder der EU ist Rumänien massiv betroffen von illegalen Rodungen, Korruption und Kahlschlag. Zwei Drittel der letzten etwa 3000 Quadratkilometer des europäischen Urwalds liegen in dem Land, dessen stärkste – und mehr oder weniger einzige – Ressource das Holz ist. Laut Greenpeace verschwinden aktuell stündlich etwa 3 Hektar Wald aus den Karpaten. Zwar sind die Wälder durch europäisches Recht geschützt, was jedoch vor Ort nicht oder nur mangelhaft durchgesetzt wird. Korruption macht vieles möglich. Negative Schlagzeilen macht seit einigen Jahren vor allem der österreichische Konzern Schweighofer, einer der größten Holzproduzenten Europas und Marktführer in Rumänien, welcher es mit der legalen Herkunft des Holzes wohl weniger genau nahm und deshalb Anfang des Jahres seine Zertizierung über das Gütesiegelinstitut FSC verlor. Das Forest Stewardship Council ist eine internationale, von Umweltverbänden wie dem WWF (World Wide Fund For Nature) unterstützte Non-Profit-Organisation. FSC-Zertifikate bescheinigen Firmen, kein Holz aus umstrittenen Quellen zu verwenden. Laut FSC hatte man 2016 "eindeutige und überzeugende Beweise" gefunden, dass Schweighofer in Rumänien "am illegalen Einschlag oder Handel von illegalem Holz beteiligt war". „Bring’ die Wälder Schwedens zu dir nach Hause“, wirbt IKEA . Das Unternehmen gehört inzwischen zu den großen Waldbesitzern in Rumänien.