Glanz und Stil: Architektur in Oradea
„Klein-Budapest“ wurde Oradea (ungarisch: Nagyvárad), die wichtigste Stadt der Crișana (deutsch: Kreischgebiet) in seiner Blütezeit, der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, genannt. Prominente Architekten entwarfen prachtvolle Wohnpaläste und öffentliche Bauten, welche das Zentrum im eleganten Jugendstil prägten. Nach Phasen des Verfalls und des Dornröschenschlafs wurde geputzt, saniert und renoviert. Heute strahlt die Stadt in neuem Glanz, der die Architektur der „Art nouveau“ in ihrer ganzen Schönheit genießen lässt.
Anfang 2007 trat Rumänien der Europäischen Union (EU) bei, europäische Unternehmen siedelten sich in Oradea (deutsch: Großwardein) an. Fördermittel der EU flossen in die Stadtsanierung, auch um den Tourismus der nahe der ungarischen Grenze gelegenen Stadt zu aktivieren. Wie in anderen Städten des Landes begann man mit der Instandsetzung der zahlreichen Innenstadtgebäude, die im Jugendstil erbaut worden waren. Großwardein gehörte zu dieser Zeit zur Doppelmonarchie Österreich-Ungarn, war ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt und Tor nach Siebenbürgen (Transsilvanien). Man hatte Geld und gab es aus. Der Begriff Jugendstil basiert auf der Ende des 19. Jahrhunderts in München gegründeten Kulturzeitschrift „Jugend“ und verstand sich als Gegenbewegung zum rückwärtsgewandten Historismus. Ziel war ein „moderner Stil“, eine „Art nouveau“. In Österreich war Wien das Zentrum der Entwicklung, dort bezeichnete man den Jugendstil als Secessionsstil. Der Begriff Secession wiederum bezeichnete die Abwendung von einer nicht länger als zeitgemäß empfundenen Ästhetik. Das mondänste Gebäude Oradeas im Secessionsstil ist wohl das Palais „Schwarzer Adler“ (rumänisch: Palatul Vulturul Negru), welches man aufgrund seiner Monumentalität eher als Ensemble bezeichnen sollte. Ab 1907 wurde der Gebäudekomplex in nur zwei Jahren auf dem Grundstück eines ehemaligen Gasthauses gleichen Namens erbaut. Den Zuschlag für den Bau hatte das ungarische Architektenteam Komor Marcell und Jakab Dezső über einen vorangegangenen Wettbewerb erhalten. Zwei asymmetrische Gebäudekörper sind mit einem mittleren, zurückgezogenem verbunden und bilden einen Komplex, der Theater, Ballsäle, Kasino, Büros, usw. unterbringen sollte. Die mit Glas überdachte Passage im Erdgeschoss ist in Form eines Y angelegt und verfügt über drei Eingänge. Heute laden die Cafés und Läden der eleganten Einkaufspassage zum Verweilen ein. Neben dem Palatul Vulturul Negru sind im Zentrum Großwardeins zahlreiche weitere Jugendstilbauten zu bewundern. In der Fußgängerzone der Strada Republicii reihen sich etliche aneinander. Der Palatul Moskovits Miksa, der Palatul Stern, der Palatul Apollo oder der Palatul Rimanóczy.
Zu den bedeutenden Baudenkmälern der Stadt gehört auch das Teatrul Regina Maria, das ab Sommer 1899 in nur 15 Monaten im neoklassischen Stil gebaut wurde und als erster Bau der Stadt über Elektrizität verfügte. Entworfen hatten es die prominenten Wiener Architekten Fellner und Helmer, die sich auf Theaterbauten spezialisiert hatten und am Bau von 48 Theatergebäuden in Europa beteiligt waren. Neben dem Nationaltheater (Teatrul National) in Temeswar und in Klausenburg planten die beiden auch das Stadttheater in Fürth.