Engagement und Investitionen: Von Sibiu nach Sebeș
Auf der Reise durch die Städte Siebenbürgens erreichen wir Mühlstadt (rumänisch: Sebeș), ein eher beschauliches Städtchen von etwa der gleichen Größe wie Sighișoara. Während sich im Umfeld Sighișoaras Prince Charles engagiert, sind es Schüler aus einer kleinen deutschen Stadt, die soziales Engagement für Sebeș zeigen. Büdingen heißt der Ort in Hessen, mit dem Mühlstadt eine sehr lebendige Städtepartnerschaft pflegt.
Terra Sebus wurde die Gegend Mitte des 12. Jahrhunderts bezeichnet, als sich dort Siebenbürger Sachsen niederließen. Sebeș befindet sich im sogenannten Unterwald, der jedoch kein Waldgebiet ist, sondern auf die Lage unterhalb der bewaldeten Karpatenhänge verweist. Sebeș heißt auch der Fluss, in dessen Nähe die Stadt liegt. Die neuen Siedler nannten ihre Ortschaft Mühlbach und waren bis ins 20. Jahrhundert die Chefs vor Ort, welcher schon im 13. Jahrhundert das Stadtrecht erhielt. Durch ihre exponierte Lage an der Kreuzung zweier wichtiger Landstraßen war die Stadt mit dem gleichen Problem wie Hermannstadt konfrontiert, den wiederholten Angriffen der Türken. So genehmigte König Sigismund 1387 den Bau einer Stadtmauer, von der heute gut erhaltene Reste zu sehen sind.
Auch im 1500 km entfernten hessischen Büdingen war es zu mittelalterlichen Zeiten nötig, sich zu erwehren. Dort ist eine der bedeutendsten spätmittelalterlichen Festungsanlagen Deutschlands noch vollständig erhalten. 1601 wurde mit der Büdinger Lateinschule das heutige „Wolfgang-Ernst-Gymnasium“ gegründet. Das Gymnasium in der Partnerstadt Sebeș, das „Colegiul Naţional Lucian Blaga“ ist nach dem bedeutenden rumänischen Schriftsteller und Philosophen benannt, der seine Grundschulzeit in Sebeș verbrachte. „Bildung ist Freiheit”, ist auf Deutsch hoch über dem Eingang auf der Fassade des Collegiums zu lesen – eine Reminiszenz an die sächsische Vergangenheit der Stadt. Im Zuge einer lebendigen Städtepartnerschaft pflegen die beiden Gymnasien seit einigen Jahren einen regen Schüleraustausch, der seitens der Büdinger Gymnasiasten zu echtem sozialen Engagement führte. Bei einem Aufenthalt in Sebeș lernten sie einen Pfarrer kennen, der in seinem Pfarrhaus ein Waisenhaus für besonders arme Kinder eingerichtet hat. Beeindruckt von seiner Arbeit ergriffen die Schüler Initiative und erwirtschafteten eigenständig eine größere Spende, die sie im September persönlich vor Ort übergeben werden.
Wie andere rumänische Städte – allen voran das Epizentrum des wirtschaftlichen Aufschwungs durch ausländische Investoren, Hermannstadt – ist auch Sebeș aufgrund der niedrigen Lohn- und Investitionskosten und einer guten Infrastruktur ein attraktiver Standort für Unternehmen aus dem Ausland. Hinzu kommt die breite Verankerung der deutsche Sprache in Siebenbürgens Gegenwart. „In Rumänien liegt die Zukunft des deutschen Autos”, postuliert „DIE WELT” im Wirtschaftsteil. So baut Daimler zur Stunde sein Werk in Mühlbach für 300 Millionen Euro aus. Die Daimler AG und ihre rumänische Tochtergesellschaft Star Transmission werden ab 2016 in Sebeș 9-Gang-Automatikgetriebe montieren. Bewusst hat man die Tochter in Mühlbach mit Abstand zur Hermannstädter Konkurrenz um qualifizierte Mitarbeiter angesiedelt, denn in Transsilvanien drängelt sich die Automobilbranche mittlerweile. Ein Ende ihres Zuges in den Osten ist nicht abzusehen.