Jenica Schneider | Cranachstraße 16 | 90408 Nürnberg | Sie erreichen mich unter: +49 (0)911-247 66 30 (09 bis 17 Uhr)

Rumänien-Blog


Ein Eiffelturm und Freundschaft zu Neapel: im Bărăgan


Im Frühling 2019 ging die Reise per Blog in die Dobrudscha (rumänisch: Dobrogea), die Landschaft am Meer. Die Große Walachei (rumänisch: Muntenia) grenzt westlich der Donau mit dem Bărăgan-Flachland an jene östlichste Region Rumäniens. Zwar ist der Bărăgan gesamt dünn besiedelt, doch weisen die regionalen urbanen Strukturen bemerkenswerte Kontraste auf.

Mit über 200.000 Einwohnern ist Brăila die größte Stadt des Bărăgan und Hauptstadt des gleichnamigen Kreises. Sie liegt am linken Ufer des Unterlaufs der Donau (rumänisch: Dunărea), die Geschichte der Siedlung reicht weit zurück. Archäologische Funde auf dem heutigen Stadtgebiet datieren aus dem 4. Jahrtausend vor Christus. Erstmals urkundlich erwähnt wird Brăila unter ihrem Namen 1368. Der walachische Fürst Vladislav I. erlaubte Kaufleuten aus Kronstadt (rumänisch: Brașov), dort Handel zu betreiben. Letzteres liegt in Siebenbürgen (rumänisch: Ardeal oder Transilvania), also nicht gerade um die Ecke. Unter türkischer Herrschaft wurde dem Namen der Stadt ein I vorangestellt. Als Ibraila war sie lange ein Zentrum des Islam in der Walachei. Seit 1858 gehört Brăila zu Rumänien. Zwar erfolgte nach dem Zweiten Weltkrieg eine planmäßige Ansiedlung von Industriebetrieben, die Altstadt blieb jedoch weitgehend frei von Neubauten. Ausgehend vom zentralen Traiansplatz (rumänisch: Piața Traian) zeigt sich noch heute ein stadtplanerisches Agieren, das einen Blick aus der Vogelperspektive spannend macht: Im 19. Jahrhundert legte man halbkreisförmig konzentrische Boulevards an. Auf Stadtplänen ähnelt die Stadtstruktur somit einem riesigen, zur Donau hin geöffneten Amphitheater. Ganz anders sieht es in Călărași aus. Wie Brăila liegt die Stadt an der Donau, ist ebenso Hauptstadt ihres gleichnamigen Kreises. Jedoch sind in ihrem Zentrum nur wenige Altbauten verblieben. Als typische südrumänische Industriestadt zeigt sie ein stark systematisiertes Zentrum, was heißt, historische Gebäude wurden größtenteils abgerissen und es wurde komplett neu gebaut. Riesige, teils brachliegende Industrieareale, große Plattenbauviertel und dörfliche Randzonen prägen das urbane Bild. Das zugrundeliegende Programm zur Systematisierung der Dörfer (rumänisch: sistematizarea satelor) diente im kommunistischen Rumänien der 1980er Jahre zur Zwangsumsiedlung der Bewohner kleinerer Ortschaften in agro-industrielle Zentren. Der damalige rumänische Machthaber Nicolae Ceaușescu verfolgte damit zum einen das Ziel, aus den Flächen der aufgegebenen Dörfer Ackerland zu gewinnen sowie zum anderen, die Landbevölkerung in industrielle Lohnarbeit zu zwingen. Parallel hierzu durften Gemeinde- oder Stadtflächen nicht mehr wachsen bzw. wurden reduziert, was zu einer massiven Verdichtung der Städte führte. So wird das Programm auch als Dorfzerstörungsprogramm bezeichnet. Călărași pflegt eine Städtepartnerschaft zu Neapel, nicht nur hinsichtlich des Stadtbildes ein größtmöglicher Kontrast. Der Name einer weiteren Stadt im Bărăgan, Slobozia (deutsch veraltet: Freistadt), stammt vom slawischen slobod, was Freiheit bedeutet und darauf hinweist, dass in früheren Zeiten Bauern durch Steuerbefreiungen zur Ansiedlung motiviert wurden. Obwohl die landwirtschaftliche Produktion eine Hauptrolle spielt, gibt es in Slobozia seit 1990 ein etabliertes Kulturzentrum. Auch ein Eiffelturm wurde dort erbaut: Eine 54 m hohe Kopie des Pariser Originals ist im lokalen Vergnügungspark zu betrachten.

Zurück