Dornröschen Sibiu: Ökonomie und Kultur
„City of Culture – City of Cultures" benannte sich Hermannstadt (rumänisch: Sibiu) als Europäische Kulturhauptstadt 2007 und erwachte laut internationaler Presse aus einem jahrzehntelangen Dornröschenschlaf. Zeitgleich trat Rumänien der Europäischen Union bei, womit Sibiu zur ersten Stadt in einem neuen Mitgliedsstaat im Osten der EU wurde, welche den begehrten Titel holte. Interessant ist hierbei vor allem die Verzahnung der ökonomischen und kulturellen Entwicklungen Hermannstadts unter der Regie des damaligen Bürgermeisters Klaus Johannis.
„Wir laden Sie ein, durch die Straßen und über die Plätze der historischen Stadt mit ihren gotischen Arkaden, ihren Häusern im Renaissancestil und ihren eleganten barocken Kirchen sowie den Gebäuden im Stil des Art Nouveau zu spazieren”, grüßt (Ex-)Bürgermeister Klaus Johannis noch heute auf der Website www.sibiu2007.ro, die es auch auf Deutsch zu lesen gibt. Der damalige Bürgermeister und Präsident der „Gesellschaft Sibiu 2007” ist heute Präsident Rumäniens. „Auch in wirtschaftlicher Hinsicht steht Hermannstadt mit einem Pro-Kopf-Einkommen über dem Landesdurchschnitt sehr gut da”, liest man unter dem Menüpunkt „Über Hermannstadt”. Der rasante wirtschaftliche Aufschwung der Stadt hatte 2000 mit Johannis begonnen, welcher als deutschstämmiger Nachfahre der Siebenbürger Sachsen millionenschwere Investitionen, vor allem aus dem deutschsprachigen Ausland, nach Sibiu holte. Somit waren bis zur Ernennung als Kulturhauptstadt 2004 bereits entsprechende ökonomische Ressourcen vorhanden, um Hermannstadts Dornröschenschlaf zu beenden. Die beträchtlichen Gelder, die mit der Ernennung aus Bukarest und Brüssel flossen, investierte Johannis in die Sanierung der Altstadt und die Infrastruktur der Stadt, was diese wiederum für weitere Investoren aus dem Ausland attraktiv machte. Ökonomischer und kultureller Aufschwung begünstigten sich also wechselseitig. Die Entwicklung zur Vorzeigestadt mit pittoreskem Zentrum und einem internationalen kulturellen Programm machte Sibiu natürlich auch für den Tourismus interessanter. Interessant ist ebenso, dass ein Teil der Kulturprojekte für 2007 in Kooperation mit der zweiten Kulturhauptstadt des Jahres 2007, Luxemburg, entwickelt wurde und man die Veranstaltungen zwischen beiden Städten koordinierte. Hier kommen nun wieder die Siebenbürger Sachsen ins Spiel: Der Doppelpass Hermannstadt/Luxemburg liegt in deren historischer Verwandtschaft begründet. Nicht wenige der deutschen Kolonisten, die im 12. Jahrhundert im Karpatenbogen siedelten, kamen aus dem Moselgebiet um Luxemburg, was sich heute noch an der verblüffenden Ähnlichkeit der Dialekte in den beiden so weit voneinander entfernten Regionen hören lässt. Wesentlich für die Verleihung des Titels durch die EU an Sibiu waren zudem die vielfältigen Partnerschaften mit weiteren europäischen Städten wie Landshut, Klagenfurt oder Rennes.
Spielort anspruchsvoller internationaler Festivals war Hermannstadt schon lange vor seiner Wahl zur Kulturhauptstadt. So fand dort mit dem „22. Internationalen Theaterfestival” im Juni dieses Jahres eines der renommiertesten Theaterfestivals Europas statt, deutschsprachige Inszenierungen mitten in Rumänien inklusive. Das seit 1974 jährlich stattfindende Sibiu Jazz Festival ist mit seinen über 40 Jahren das älteste Jazz Festival Rumäniens.