Dallas in Rumänien, die Southfork im Bărăgan
Im Blog Beitrag des letzten Monats endete die Reise durch das Bărăgan vorerst in Slobozia, genauer: im lokalen Vergnügungspark. Dort sind, wie in vielen anderen Themenparks, abgespeckte Rekonstruktionen europäischer Großbauten zu sehen – beispielsweise ein 54 m hoher Eiffelturm. Interessant ist jedoch die Kopie eines Gebäudes aus der amerikanischen Populärkultur und ein Blick hinter dessen Kulissen.
Slobozia ist eine mittelgroße, wenig spektakuläre Stadt in der Bărăgan-Tiefebene, die mit dem Hermes-Park ein skurriles Phänomen beheimatet. Anfang der 1990er Jahre baute Ilie Alexandru, Geschäftsmann und Milliardär zweifelhaften Rufs, vor den Toren seines Heimatortes einen privaten Vergnügungspark. Die Bezeichnung Hermes geht auf eine der von Alexandru geführten Firmen, eine kleine Fernseherfabrik, zurück. Er startete seine finanziell sehr erfolgreichen Geschäfte unmittelbar nach der rumänischen Revolution 1989 und wurde nach dieser zu einem der ersten Milliardäre des Landes. Seine ersten Millionen investierte er Anfang der 90er mit dem Hermesland in eine Mixtur aus Feriendorf, Zoo, Sommertheater und einem Themenpark, in dem neben besagter Kopie des Eiffelturms auch eine der Southfork Ranch zu finden ist. Während der berühmte Pariser Turm als Stellvertreter der europäischen Kulturgeschichte en miniature errichtet wurde, sprengt der Nachbau der weltbekannten Ranch aus einer der populärsten US-Serien der 1980er Jahre die Maße des Originals. Alexandru, der dieses nur aus dem Fernsehen kannte, ließ sie etwas größer als die texanische Vorlage bauen. Letztere wurde 1970 unter dem ursprünglichen Namen Duncan Acres 40 km nördlich von Dallas erbaut und avancierte mit dem Erfolg der Serie um den Ewing-Clan zur begehbaren Pilgerstätte für Fans aus aller Welt. Das Duplikat im rumänischen Hinterland besuchten zwischen 1994 und 1997 jährlich über 10.000 Touristen aus dem ganzen Land, Alexandru wurde als J. R. Ewing aus Rumänien populär. Auch Larry Hagman, Darsteller des echten Serienhelden, stattete der rumänischen Replik seiner Ranch einen Besuch ab. Die Ausstrahlung der erfolgreichen Serie Dallas wurde zu Nicolae Ceausescus Zeiten in Rumänien nicht etwa verhindert, sondern von diesem als Illustration der Übel des Kapitalismus lanciert, wozu sogar die Einrichtung eines Dallas-Kanals gehörte. Seine Rechnung ging nicht auf. Die Rumänen waren ebenso fasziniert vom gezeigten Luxusleben des Serienclans wie die Bürger weiterer 90 Länder und machten Ceausescu dafür verantwortlich, ihnen diesen vorzuenthalten. Larry Hagman alias J. R. Ewing avancierte nicht nur zum Publikumsliebling, sondern auch zum Medienstar. Beflügelt vom rumänischen Boom um die Serie begann der fanatische Fan Ilie Alexandru mit dem Bau seiner Southfork Ranch. Ausführlich dazu recherchiert hat der amerikanische Stadtforscher Sean Snyder, der einen weiteren Aspekt des texanischen Erbes in Rumänien thematisiert. G. W. Bush, ehemals Unternehmer in der Ölindustrie, Gouverneur von Texas und Präsident der USA soll samt seinem Clan ein großer Bukarest-Fan, Alexandru wiederum ein Freund der Familie gewesen sein. Als gern gesehener Gast im Hermesland habe Bush den dortigen Kult um die texanische Populärkultur zu feiern gewusst. Alexandru, der J. R. Rumäniens wurde ab Ende der 1990er Jahre wiederholt wegen Betrugs und Steuerhinterziehung verurteilt, die rumänische Southfork Ranch ging in die Obhut der Banken über.