Antonescus Masterplan: Der Pogrom von Iași
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörte Iași zu den Zentren des Judentums in Europa, etwa die Hälfte der Bewohner waren rumänische Juden. Bereits im Jahrhundert zuvor erschien dort eine jiddische Tageszeitung, auch das erste professionelle jiddische Theater Rumäniens wurde in Jassy gegründet. Trotz der starken Integration der jüdischen Bevölkerung machte sich ab den 1920er Jahren zunehmender Antisemitismus breit, welcher im Jahr 1941 im Pogrom von Iași gipfelte.
Der Begriff Pogrom kommt aus dem Russischen, wo er Zerstörung und Verwüstung beschreibt. Im Herbst 1940 übernahm General Ion Antonescu die Staats- und Regierungsgeschäfte Rumäniens. Antisemitismus war nicht mehr nur salonfähig, sondern längst offizielle staatliche Politik. Ausgrenzungen, Repressionen und Übergriffe gegenüber der jüdischen Bevölkerung hatten sich massiv verschärft, staatliche Gewalttaten bis hin zu Morden gehörten dazu. Antonescu hatte noch vor der Berliner Wannseekonferenz – in welcher die deutschen Nationalsozialisten die Vernichtung der Juden im Detail planten – einen Masterplan entwickelt, der auf die ethnische Säuberung Rumäniens abzielte und Deportationen im großen Stil beinhaltete. Im Vorfeld des Pogroms von Iași lancierte der rumänische Geheimdienst Gerüchte, die jüdische Bevölkerung habe den Luftstreitkräften der Sowjetunion Informationen zur Bombardierung der Stadt übermittelt und heizte damit die antisemitische Stimmung weiter auf. Am 29. Juni 1941, später als Schwarzer Sonntag bezeichnet, kam es zum ersten großen Massaker an jüdischen Bewohnern. Rumänische Soldaten, lokale Polizisten und auch Zivilisten (!) ermordeten etwa 8.000 Menschen. Die meisten von ihnen wurden auf dem Gelände des Hauptquartiers der örtlichen Polizei erschossen. Obschon die Morde per se nicht zum deutschen Einsatzplan gehörten, wurden diese durch die in Jassy stationierten Einheiten der Wehrmacht unterstützt. Letztere machten Hunderte von Fotografien des Massakers, welche heute im United States Holocaust Memorial Museum in Washington archiviert sind. Da Antonescus Masterplan zum Ziel hatte, sämtliche Juden in Bessarabien, in der Bukowina und in der Moldau physisch auszurotten, setzte man den Pogrom nach den Erschießungen auf grausame Weise fort. Die überlebenden Juden der Stadt wurden in zwei Güterzüge gepfercht und ohne Nahrung und Wasser bis zum 06. Juli 1941 durch das rumänische Hinterland gefahren. Die Lüftungsschlitze der Waggons hatte man zugenagelt. Im Todeszug von Iași starben nochmals Tausende von Menschen. Auch wenn unterschiedliche Angaben zu den genauen Zahlen der Todesopfer zu finden sind, nähern sich diese an die 15.000, die im größten Pogrom an der jüdischen Bevölkerung in Rumänien ermordet wurden. Das Massaker von Jassy war, wie die Judenverfolgung in ganz Rumänien, lange Zeit kein offizielles Thema. Erst 2003 begann man mit einer Aufarbeitung: Präsident Ion Iliescu berief die Internationale Kommission zur Erforschung des Holocaust in Rumänien ein. Dem jüdischen Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel, der den Holocaust überlebt hatte, oblag die Leitung. Ende 2004 legte die Kommission ihren Abschlussbericht vor und bestätigte den spezifisch rumänischen Holocaust. Das Elie-Wiesel-Institut wurde gegründet und der 09. Oktober als rumänischer Holocaust-Gedenktag festgelegt.