Im Museum: rumänische Kunst seit 1965
Das Museum MARe in Bukarest (rumänisch: București) zeigt Werke aus der Kunstsammlung Roger El Akourys. Das Gebäude gibt der Auseinandersetzung mit der jüngeren Geschichte Rumäniens eine Form (Blogs Mai/Juni 23). Wie die Architektur ist auch die Kunst in seinem Inneren ein Spiegel der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung Rumäniens.
Der Verzicht auf das Dogma des Sozialistischen Realismus (Blog Juni 23) ab 1965 markierte einen Wendepunkt in der rumänischen Kulturpolitik. Man propagierte nicht mehr ausschließlich die heroisierende Darstellung des Arbeiters beim Aufbau der kommunistischen Gesellschaft, sondern ließ offiziell nun auch andere Formen der Kunst gelten. Gegeben hatte es diese selbstverständlich schon zuvor, politisch akzeptiert waren sie nicht. Allerdings währte diese neue Freiheit nicht wirklich lange. Bereits 1971 kam es wieder zu Ausstellungsverboten. Betroffen davon war unter anderen Diet Sayler, heute einer der wichtigsten Künstler der Konkreten Kunst – und in El Akourys Sammlung vertreten. Im MARe, Muzeul de Arta Recenta, lässt sich der Prozess der Erneuerung der rumänischen Kunst nachvollziehen. So sind Arbeiten der 1969 in Timișoara (deutsch: Temeswar) in der historischen Region Banat gegründeten Gruppe Sigma (Ștefan Bertalan, Lucian Codreanu, Constantin Flondor, Ioan Gaita, Elisei Rusu und Doru Tulcan) zu sehen. Bis 1978 war die neo-konstruktivistisch orientierte und interdisziplinär agierende Künstlergruppe aktiv. Mathematik, Architektur, Kybernetik und weitere Disziplinen wurden in die künstlerische Arbeit integriert, mit neuen Medien und Materialien experimentiert. Die Verbindung zu Wissenschaft und technologischer Entwicklung war Gegenstand des künstlerischen Interesses. Man war weit entfernt von den Dogmen des Sozialistischen Realismus und baute eher auf die Prinzipien des Konstruktivismus, welcher diesem als avantgardistische Kunstrichtung im revolutionären Russland der 1910er Jahre vorausging. Naturalistische Nachbildungen wurden abgelehnt, ein geometrisches Formenvokabular bildete die Grundlagen der bildnerischen Arbeit. Die Architektur galt als Mutter aller Künste. Natürlich gab es parallel dazu ganz andere Strömungen. So griffen Künstler rumänische Mythen oder folkloristische Elemente auf, wie beispielsweise Ion Țuculescu, ein Autodidakt, der als Arzt und Biologe arbeitete, und dessen Werk ab 1965 durch eine große Retrospektive bekannt wurde. Gegen Ende der Diktatur Ceaușescus entwickelte sich unter Künstlern eine Strömung, die dessen Propaganda sehr nahe kam, da sie eine kulturelle Überlegenheit der Rumänen behauptete. Mit der Revolution 1989 war zwar das kommunistische Regime beendet, die Kunstszene wurde ab diesem Zeitpunkt jedoch nicht mehr staatlich gefördert. Wie auch in anderen kulturellen Bereichen, dem Theater beispielsweise (Blog August 22), begann in der Bildenden Kunst eine lange Phase der Neuorientierung. All diese Entwicklungen in der rumänischen Kunst bis dahin und weiter finden sich in der Sammlung und Dauerausstellung des Museums, können dort entdeckt und diskutiert werden. Darüberhinaus bietet das MARe Wechselausstellungen rumänischer und internationaler Künstler und Künstlerinnen. So werden ab Ende September in der Schau Efectul Picasso (deutsch: der Picasso Effekt) Werke Picassos und 50 rumänischer Künstler und Künstlerinnen, die sich von ihm inspirieren ließen, zu sehen sein.