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Rumänien-Blog


Natur und Geschichte: Bukarester Gärten und Parks II

Nach Grădina Cișmigiu und Botanischem Garten geht es Richtung Stadtsüden in den Parcul Carol (deutsch: Carol Park), auch Freiheitspark genannt. Mit einer Größe von etwa 36 Hektar ist er doppelt so groß wie die beiden zuvor besuchten. Im Park treffen verschiedene Schichten der rumänischen Historie aufeinander und überlagern sich teils, ästhetisch wie ideologisch. Auch in der jüngsten Geschichte wurde der Park zum Gegenstand einer kontroversen Debatte.

Es begann monarchisch. Zur 40-jährigen Regentschaft des ersten rumänischen Königs Carol I. wurde der Park von 1900 bis 1906 vom französischen Landschaftsarchitekten Edouard Redont vorwiegend als Landschaftsausstellung angelegt. Für die verschiedenen Landesteile typische Gebäude, ein See und Hügel waren durch Alleen und romantisch verschlungene Wege verbunden. In der kommunistischen Ära war Romantik weniger gefragt, was massive Eingriffe in die Gestaltung des Parkgeländes zur Folge hatte. Zu Beginn der sechziger Jahre errichteten die beiden Architekten Horia Maicu und Nicolae Cucu auf diesem ein 48 Meter hohes Denkmal für die Helden des Sozialismus, das nicht nur als solches fungierte, sondern zugleich als Mausoleum (rumänisch: Mausoleul din Parcul Carol) für die Spitzenfunktionäre der Partei. Die Positionierung auf einer Anhöhe, dem Filaretului-Hügel (rumänisch: Dealul Filaretului), verstärkte den ohnehin gigantischen Charakter noch. Zusätzlich wurde vom Eingang des Parks bis dorthin eine monumentale Achse gelegt, was visuell und ideologisch an Nicolae Ceauşescus spätere steingewordene Machtfantasie Casa Poporului (deutsch: Haus des Volkes), heute Palatul Parlamentului (deutsch: Parlamentspalast), erinnert, zu welcher der Bulevardul Unirii (deutsch: Boulevard der Einheit) führt. Letzterer wurde in den 1980er Jahren unter dem Namen Boulevard des Sieges des Sozialismus angelegt. Dessen Hauptzweck war seine Ausrichtung auf den Palast (Blogbeitrag Dezember 2021, Nicht auf Sand gebaut: Der Palast des Parlaments). Nach dem Ende der Diktatur entfernte man die Gebeine der kommunistischen Machthaber, womit das Denkmal seine Funktion als Mausoleum verlor. Der Blogbeitrag im April dieses Jahres thematisierte die Errichtung der Kathedrale der Erlösung des rumänischen Volkes (rumänisch: Catedrala Mântuirii Neamului Românesc). 2010 startete das gigantische Bauprojekt auf dem Gelände des Izvor-Parks (rumänisch: Parcul Izvor) in unmittelbarer Nachbarschaft des heutigen Parlamentspalasts. Auch hier gilt: size matters. Jahre zuvor war jedoch ein anderer Standort für das riesige Gebäude – die größte orthodoxe Kirche der Welt – vorgesehen: der Parcul Carol, was bedeutet hätte, dass erneut eine Schneise in das Gelände geschlagen worden wäre, um die Manifestation einer Ideologie auf diesem zu platzieren. Der Ideengeber des Projekts Kathedrale, der mittlerweile verstorbene Patriarch Teoctist, hatte die Zerstörung zahlreicher Kirchengebäude durch Nicolae Ceauşescus brachialen Umbau der Stadt ohne Widerspruch gebilligt. 2004 hatte die Regierung Adrian Năstase der Rumänisch-Orthodoxen Kirche das Areal um das Denkmal übertragen. Die Vorarbeiten zu dessen Abriss hatten bereits begonnen, als sich der damalige Bürgermeister Bukarests, Traian Băsescu, widersetzte und dagegen klagte. Die Klage hatte Erfolg. Auch der Verband der rumänischen Architekten protestierte gegen die Anordnung des Ministers für Kultur und religiöse Angelegenheiten zum Abriss des Denkmals. Gebaut wird die Kathedrale nun noch immer am jetzigen Standort.

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